Nach seinem Abschied aus dem SSV Lemgo im August 2020 führte Wolfgang Kehl ein Interview mit dem ehemaligen 1. Vorsitzenden des SSV Lemgo Hans Pawlowski. Mit diesem Interview möchten wir, der gesamte Vorstand des SSV Lemgo, uns bei Ihm für seine unvergleichliche und unvergessliche Vorstandsarbeit bedanken.
Hallo Hans, wie lange warst du Vorsitzender des SSV?
Hallo Wolfgang, ich wurde im Feb. 1995 auf der jährlichen MGV als Nachfolger von Horst Selbach zum 1. Vorsitzenden des SSV Lemgo gewählt. Am 10.08.2020 war ich also ziemlich genau 25 ½ Jahre im Amt.
Wer hat Dich dazu „überredet“ bzw. wie bist du zum Vorsitz des SSV gekommen?
Ende 1994 stand mein Entschluss fest, den Vorsitz des TuS Voßheide in jüngere Hände zu geben, denn mein damaliger Stellvertreter war bereit, dieses Amt zu übernehmen und hatte bereits für sich selbst einen neuen Stellvertreter gefunden, so dass ich den TuS im ruhigen Fahrwasser wusste. In dieser Situation erhielt ich im Dezember 94 einen Anruf vom Sportreferenten Hans-Werner Antkewitz. Er bat mich, im Februar 95 für den Vorsitz des SSV Lemgo zu kandidieren, da der amtierende Vorsitzende sich nicht noch einmal zur Wahl stellen würde. Nach einigen schlaflosen Nächten habe ich Ende Januar 95 dann dem Sportreferenten erklärt: „Okay, das probiere ich mal aus!“
Du warst Ansprechpartner für etwa 50 Lemgoer Sport-Vereine aus allen Bereichen. Wie hat sich die Zusammenarbeit entwickelt?
Nach dem Motto „Zusammen sind wir stark“ habe ich von Anfang an versucht, alle Vereine mit ins Boot SSV Lemgo zu holen. Wir haben als erste Kommune in Lippe bereits 2005 einen Pakt für den Sport mit der Stadt geschlossen. Kein Verein, wurde mit seinen Fragen und Problemen allein gelassen, sondern zusammen mit dem KSB, dem LSB, der Politik und der Verwaltung suchten wir gemeinsam nach Antworten und Lösungen.
Du sprichts gerade die Zusammenarbeit mit der Politik in Lemgo und dem KSB an. Wie war diese?
Mit dem Bewusstsein, dass niemand mehr ausgeben kann als er hat, und der Überzeugung, dass es nie eine absolute, einzige Lösung gibt, hat der SSV immer nach Kompromissen gesucht. Glücklicherweise vertraten auch die maßgeblichen Entscheider, insbesondere der Bürgermeister Dr. Reiner Austermann, diese Philosophie und waren immer kompromissbereit.
Was hat sich in deiner Zeit als Vorsitzender verändert?
Die größte Veränderung war die Entstehung eines „Wir-Gefühls“.
In den ersten Jahren der Amtszeit kamen 5 – 8 Vereine zu der einen, notwendigen Mitgliederversammlung pro Jahr.
In den letzten Jahren beteiligten sich durchschnittlich 24 -30 Vereine an zwei Mitgliederversammlung pro Jahr und zusätzlich nahmen ca. 70 – 90 % der Fußballvereine zweimal im Jahr am „Runden Tisch Fußball“ teil.
Was sind aus deiner Sicht wichtigsten oder größten Erfolge?
Als persönliche Erfolge werte ich ideell die Entstehung eines Wir-Gefühls zwischen den 50 Vereinen im SSV und die Entwicklung der Politikfähigkeit. Inzwischen hat der Sport in Lemgo den ihm gebührenden Stellenwert erlangt und der SSV verhandelt auf Augenhöhe mit Politik und Verwaltung.
Ein praktischer Erfolg war die Verhinderung eines 25 m Schwimmbeckens ohne Sprunggrube mitten in der Stadt. Der daraus entstandene Kompromiss kann sich auch heute noch über Lemgos Grenzen hinaussehen lassen. Auch die Vereins-Schulsporttage, die Flüchtlings- bzw. Neubürgerinnen-Sporttage, die vier Pakte für den Sport, sowie das Freizeitstätten-Entwicklungskonzept und vieles mehr sind große Erfolge des SSV Lemgo.
Gab es etwas, was Du noch gerne erreicht hättest bzw. was hättest du in deiner Zeit evtl. anders gemacht?
Ich hätte sehr gern die Vereinsentwicklung noch mehr angestoßen, denn die Vereine müssen sich den Neuerungen in der Gesellschaft stellen. Sie dürfen nicht an ihren alten Zöpfen kleben und warten, dass die Kinder oder Erwachsenen, wie früher selbstverständlich, in den Verein kommen, sondern die Vereine müssen dahin gehen, wo die Kinder und die Erwachsenen sind. Zum Beispiel müssen die Vereine (auch die kleinen) in die Schulen und Seniorenwohnheime gehen. Zur Realisierung bedarf es größerer Kooperationen und weniger „Kirchturm-Politik“.
Auch kleinere Vereine brauchen mehr Professionalität damit sie Zielgruppen orientiertere und Interessen relevantere Angebote für Jung und Alt anbieten können.
Im Jahr1995, direkt nach dem Amtsantritt, wurde ich um eine Stellungnahme zur Unterschutzstellung des Oberlaufs der Bega aus sportlicher Sicht gebeten. Ich antwortete: „Aus sportlicher Sicht keine Probleme!“ Die Folge dieser Stellungnahme ist, dass bis heute keine Kanuten mehr des KSC Lemgo auf dem Teilstück der Bega paddeln dürfen! Das hätte ich gern anders gemacht, wenn mir bewusst gewesen wäre, dass die Bega eine Sportstätte des KSC Lemgo ist…
Nach nun 25 ½ Jahren als Vorsitzender des SSV Lemgo – wie sieht Deine Zukunft aus? Was hast du dir für die nun frei gewordene Zeit vorgenommen?
Ich möchte noch lange weiter mit offenen Augen durch die Welt gehen. Immer, wenn es mir notwendig erscheint und es mir möglich ist, werde ich mich einmischen oder so gut es geht einbringen.
Mein ehrenamtliches Engagement findet seit 01.08.2020 nun überwiegend Zuhause am PC als Chronist von Lemgo für das Stadtarchiv statt. Als Ausgleich zu dieser sitzenden Tätigkeit steht in jedem Fall viel Bewegung (Wandern, Radfahren u. a.) auf dem Plan. Außerdem werden meine Frau und ich uns mehr Zeit für unsere Enkelkinder und Reisen nehmen, wenn dies denn in Zukunft wieder möglich ist.
Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft wünscht dir der ganze SSV Lemgo.
Wolfgang Kehl und Hans Pawlowski
Lemgo, den 15.11.2020
Bild: H. Pawlowski mit BM R. Austermann beim Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Lemgo